Herkunft des Sprichworts „Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“
[F] Unter Reitsportbegeisterten und Pferdeenthusiasten kursiert häufig das Bonmot, welchem zufolge „alles Glück dieser Erde auf dem Rücken der Pferde“ liege. Kommt diese Redewendung tatsächlich aus dem Arabischen und wenn nicht, woher stammt sie ursprünglich?
[A] Nach intensiver Recherche müssen wir eine arabische Herkunft dieser Redewendung weitestgehend ausschließen. Auch die Befragungen entsprechender Experten wie etwa des arabischstämmigen Übersetzers Hatem Lahmar haben dieses Ergebnis nur weiter bestätigt. Im arabischen Raum ist die Wendung in dieser Form offenbar nicht geläufig. Urheber des Sprichworts scheint vielmehr der deutsche Lehrer und Schriftsteller Friedrich von Bodenstedt zu sein.
Ein erster Hinweis hierauf findet sich im „Großen Deutschen Sprichwörter-Lexikon“ (5. Band: Zusätze und Ergänzungen; Leipzig 1880, Spalte 1647) des Pädagogen und Germanisten Karl Friedrich Wilhelm Wander. Wörtlich heißt es dort: „Das Paradies der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, in Gesundheit des Leibes und am Herzen des Weibes. Arabisches Sprichwort, angeführt in Lieder des Mirza Schaffy.“
Ebendieses Werk, die „Lieder des Mirza Schaffy“ nämlich, sind jedoch nicht wie vielleicht vermutet eine authentische Lyriksammlung aus dem arabischen Kulturkreis. Vielmehr entstammen sie der Feder des bereits erwähnten Friedrich von Bodenstedt. Leben und Schaffen des 1819 in Peine geborenen und 1892 in Wiesbaden verstorbenen Schriftstellers dürften dabei heutzutage eher wenigen Menschen ein Begriff sein. Zu Lebzeiten jedoch war Bodenstedt wesentlich populärer als heute. Nach dem Fremdsprachen- und Geschichtsstudium trat er 1840 zunächst eine Privatlehrerstelle in Moskau an. Drei Jahre später wechselte er dann ins georgische Tiflis und unterrichtete am örtlichen Gymnasium, wo er auch seinen Kollegen, den aserbaidschanischen Dichter (und Namensgeber des späteren Werks) Mirza Schaffy kennenlernte. Schaffy gewährte Bodenstedt in der Folgezeit umfassenden Einblick in die diversen Sprachen und kulturellen Besonderheiten der Kaukasusregion. Im Jahre 1851 schließlich erschien dann die Verssammlung „Die Lieder des Mirza Schaffy“, als deren Urheber Bodenstedt seinen Lehrerkollegen ausgab. Erst Jahrzehnte später, im Jahre 1874, wurde publik, wer der wahre Verfasser des Buches war.
Während im Werk oberflächlich betrachtet das „Paradies auf Erden“ und eine unbefangene Lebensweise mit einem guten Anteil orientalischer Exotik thematisiert werden, steckten dahinter offenbar tiefergehende Absichten des Autors. Tatsächlich nämlich veranschaulicht Bodenstedt in den Versen geschickt die Gesellschaftsverhältnisse des Nachmärzdeutschland. Bei diesem Kunstgriff, die eigentlichen Botschaften in märchenhafte, unschuldige Lyrik zu kleiden und so geschickt zu maskieren, orientierte sich der Schriftsteller nachweislich an Goethes „Divan“.
Dank der Lieder gelangte Bodenstedt nicht bloß überregional, sondern auch international erstmals zu schriftstellerischem Ruhm. Insgesamt erschienen (inklusive Übersetzungen) von dem Buch 160 Auflagen. Mit zunehmender Popularität und Verbreitung fanden die Lieder dabei nach und nach, komplett oder in Auszügen, auch Eingang in diverse Redensart- und Sprichwortsammlungen.
So integrierte etwa Georg Büchmann die Verse in sein 1864 erschienenes „Geflügelte Worte“ und auch Franz Freiherr von Lipperheide band sie unter dem Titel „Paradies“ in sein 1909 erschienenes Werk „Spruchwörterbuch“ ein. Auf diesem Wege wurden Bodenstedts Verse über die Jahrzehnte immer volkstümlicher und schließlich Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs.
Bereits im frühen 20. Jahrhundert war der variierte Zweizeiler „Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“ offenbar bereits soweit etabliert, dass sie in der Literatur vereinzelt als augenzwinkernde Anspielung verwendet werden konnte. Als ein erstes Beispiel seien etwa „Die Memoiren einer Sozialistin“ von Lily Braun (Gesammelte Werke, 1922) genannt. Dort heißt es:
„In diesem Augenblick schlug einer ans Glas: ‚Das höchste Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, und am Herzen des Weibes – –‘ Es gab ein allgemeines Stühlerücken – Anstoßen – Gelächter.“
Auch Kurt Tucholsky erwähnt das Sprichwort in seinem „Lied der Cowboys“ (Gesammelte Werke, Band 8, Reinbek 1975). Ein Auszug:
„(…) Ramm! – Pamm! // Ramm – pammpammpamm!
Auf dem Hintern da prangt uns ein Monogramm.
Da prangt Bert Brecht – frag nicht nach dem Sinn –
sonst halten wir dir unsern Hintern hin.
Und klappt es nicht mit des Dramas Lauf:
dann sagen wir rasch ein Sprichwort auf.
Auf dem Rücken der Pferde, da liegt unser Glück . . .
God save the Queen mit Goldmundstück!